Dreherfahrungen und Testvideos

Wie habt ihr die Nikon Z6 II getestet? Was waren die Hauptmotive und Drehsituationen?



Guido // Mein Testclip sollte ein Kurzportrait einer Tänzerin werden, dementsprechend waren Menschen auch meine Hauptmotive. Dabei wollte ich mit möglichst minimalem Setup und Aufwand drehen, auch um zu sehen, wie weit man mit Nikons Essential Movie Kit als One-Man-Band in der Praxis kommt und wie alltagstauglich das Ganze ist.



Das ist in meinen Augen (neben dem Einsatz im Dokumentarfilmbereich) auch ein typischer Anwendungsfall für die Nutzer der Nikon Z6II. Wer eine größere Crew, viel Licht, und aufwendige Technik bei seinen Drehs einsetzt, also ein gewisses Produktionsbudget erreicht, der greift vermutlich kaum zu einer DSLM als A-Kamera.



Gedreht habe ich mit meiner Protagonistin an zwei Nachmittagen, einmal bei ihr zuhause und dann eine Unterrichtsstunde in einem Park in Düsseldorf. Eine Mischung aus Interview-, Alltags- und Unterrichtssituationen. Mit einer Ausnahme sind alle Aufnahmen ausschließlich mit natürlichem/vorhandenem Licht entstanden.







Christopher // Ich habe mit der Nikon Z6 II hauptsächlich Menschen und Natur gefilmt. Die Drehsituationen waren sehr divers, denn ich hatte die Kamera auch bei einigen Aufträgen dabei. Darunter waren dokumentarische Momente, in denen über 5 Personen schnell gefolgt werden musste, es wurden aber auch Szenen mit Protagonist*innen nachgestellt, die planbar waren und somit auch besser vorzubereiten. Mein Ziel war es, die Kamera in so vielen unterschiedlichen Szenarien wie möglich zu testen.


(Da ich bei den Drehs unter realen Bedingungen jedoch keine Bildfreigabe für eine universelle Verwendung erhalten habe, sind in meinem Clip nur leider die Naturaufnahmen zu sehen.)



Es gab Situationen in Tageslicht, Kunstlicht und auch Mischlicht aus verschiedenen Farbtemperaturen. Die Mischlicht-Szenen fanden ausschließlich in Innenräumen statt, die Szenen außen wurden nur unter Tageslicht-Bedingungen aufgenommen. Dabei konnte ich auch in den Innenräumen nach außen filmen, vor großen Glasfassaden, um den Dynamikumfang bzw. das Kontrastverhältnis der Kamera zu testen.








Andreas // Mein inhaltlicher Fokus lag auf der Nachbearbeitung, und zwar wollte ich einen Vergleich von ProRes 422, ProRes HQ, ProRes RAW und ProRes RAW HQ machen. Dafür habe ich vor Greenscreen Früchte gefilmt sowie eine Landschaft (Bäume an einem Bach).



Die Landschaftsaufnahme wurde nur mit Tageslicht aufgenommen.


Unabhängig vom Greenscreen habe ich die Früchte mit mehreren Godox SL200 II / SL150 II ausgeleuchtet. Um das Licht weicher zu machen, wurde es durch Lichtformer/Diffusor geschickt. Die Farbtemperatur lag bei etwa 5500 Kelvin.









Gab es besondere Herausforderungen beim Dreh und wie hat die Kamera hier funktioniert?





Guido // Die größten Herausforderungen stellen beim dokumentarischen Arbeiten sicher wechselnde oder schwierige Lichtverhältnisse sowie unvorhergesehene Ereignisse vor der Kamera dar. Halbwegs richtig zu belichten, ist also ein Schlüssel zu gelungenen Aufnahmen. Hierbei ist der Atomos Ninja V eine für mich unersetzliche Ergänzung für die Arbeit mit DSLMs. Die hervorragenden Belichtungshilfen, Peaking- und Monitoring-Optionen, die der Rekorder bietet, lassen mich das Bild ausreichend gut beurteilen. Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, möchte man ungerne wieder zurück zu den Zeiten des Monitorings auf dem Kameradisplay.



Die kleinen Kameradisplays lassen das Monitoring nicht nur wegen der geringeren Helligkeit, sondern auch aufgrund der geringen Größe schnell zum Blindflug werden. Für meine Zwecke sind sie jedenfalls nicht gut und groß genug und somit eher eine Notlösung. Und nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch der Kamerasucher für mich bei Videoanwendungen mit DSLMs eine wenig befriedigende Alternative darstellt.



Wenn es rein um die Belichtung des ProRes RAW Materials geht, ist das als kleines Overlay einblendbare Histogramm der Kamera übrigens auch eine guter und zuverlässiger Indikator und ist dafür völlig ausreichend.



Für den Test habe ich auch handgehaltene Aufnahmen gemacht. Ich persönlich bevorzuge in solchen Situationen ja eher ein etwas schwereres Kamerapaket (Fullcage mit Rod für Follow-Fokus Motoren sowie zusätzlichem Handgriff für den Wireless-Follow-Focus, das Atom X Modul, oder gelegentlich noch eine Videofunke), weil durch die größere Masse die meisten Mikroruckler von handgehaltenen Aufnahmen gar nicht erst entstehen.



Bei handgehaltenen Aufnahmen ist die Sensorstabilisierung natürlich Gold Wert, aber man darf hier keine Wunder erwarten. Ab einem gewissen Grad an Verwackelung wird das Material eben auch wackelig. Wenn ich handgehalten arbeite, dann stehe ich meist recht ruhig an einer Stelle. Das funktioniert dann auch ziemlich gut. Sobald ich aber damit loslaufe, reicht die Stabilisierung in der Regel nicht mehr aus, um ruhiges Material zu bekommen. Da hilft dann nur noch eine zusätzliche Stabilisierung in der Post. Mir persönlich ist diese moderate Stabilisation jedoch lieber, als die Wackelpudding-Effekte (Verformungen vor allem am Bildrand), die die Kameras manch anderer Hersteller liefern.


Die Nikon Z 6II im Lesertest - 3x ProRes RAW in der Praxis : guido tanzszenePark

In den Fällen, in denen ich einen Gimbal genutzt habe (Tanzszenen im Park), habe ich auch die Sensorstabilisierung abgeschaltet. Vor allem, damit z.B. Schwenks keine ungewollten Stabilisationseffekte dazwischen funken.




ZUM AUTOFOKUS:



Ebenso habe ich bei allen Aufnahmen den Autofokus verwendet, um auch den AF zu testen. Obwohl ich normalerweise bei meinen Videos den Fokus fast immer von Hand ziehe und mich daher zuvor nie bis ins Detail mit dem AF beschäftigt hatte.



Umso überraschter war ich, wie gut er, auch ohne Expertenwissen, funktioniert hat. So musste ich nur selten überhaupt mal eingreifen, weil der AF das Objekt nicht gefunden hatte, oder woanders hin fokussiert hat, als ich wollte.



Für Video verwendet man den permanenten Autofokus (AF-F Modus), bei dem der AF auch auf Objektbewegungen und Ausschnittsveränderungen reagiert. Ich bevorzuge die automatische Messfelderkennung mit Priorität auf Gesichts- und Augenerkennung (von Menschen). Da sucht sich die Kamera über das gesamte Bildfeld Gesichter bzw. Augen, auf die sie fokussiert. Die erkannten Gesichter/Augen werden mit einem gelben Rahmen im Display angezeigt. Mit dem hinteren Joystick (Sub-Wähler) kann man dann bequem zwischen linkem und rechtem Auge wechseln, oder bei mehreren Personen zwischen diesen hin- und herspringen.



Ich habe für meinen Test die Standardeinstellungen des AF verwendet. Man kann bei Bedarf aber viele Parameter ändern, wie die Größe und Anzahl der einzelnen Messfelder, die Empfindlichkeit, die Geschwindigkeit usw.



Schwierigkeiten hatte der AF am ehesten mal in Gegenlichtsituationen, bei denen das Hauptmotiv sehr kontrastarm und dunkel war. Da wurde etwa ein Gesicht gar nicht erst erkannt. Aber das ist wohl für jedes AF System eine schwer zu meisternde Situation.



Möchte man in diesen Fällen trotzdem die Person tracken, kann man die Motivverfolgung durch berühren des Displays per Touch aktivieren (oder mithilfe der Kameraknöpfe, falls man den Sucher verwendet). Und auch das Objekt-Tracking funktioniert meist erstaunlich gut.





Ebenso kann man auch jederzeit während des aktiven AF manuell am Objektivring eingreifen (override) und zwischenzeitlich selber die Kontrolle übernehmen. Dabei zeigt einem die Kamera durch den Schärfeindikator auch an, ob das Objekt vor oder hinter der Schärfeebene liegt und in welche Richtung man den Fokusring drehen muss.



Der AF ist also sehr einfach und auf unterschiedlichste Arten zu bedienen. Für mich war das Verhalten sehr vorhersehbar. Und das ist eine wirklich gute Eigenschaft.




Christopher // Die besondere Herausforderung war sicherlich das Drehen unter den extremen Lichtbedingungen in den Innenräumen mit Kamerablick nach außen. Dabei wurde mit Bi-Color Aputure Lampen gearbeitet, um das Kontrastverhältnis anzugleichen. Es wurde ausschließlich mit Apple ProRes RAW aufgezeichnet, da der interne Nikon Codec nicht gut ist. Daher können die Ergebnisse nur auf den Codec Apple ProRes RAW und die externe Aufnahme über den Atomos Recorder bezogen werden.


Die Nikon Z 6II im Lesertest - 3x ProRes RAW in der Praxis : christopher framegrab

Die Kamera hat eine solide Bildqualität sowohl in den Shadows als auch den Highlights geliefert, wobei ich sagen muss, dass die Highlights doch sehr schnell ausbrennen. Dies bin ich von Kameras in der ähnlichen Preisklasse wie der Blackmagic Pocket 6K so nicht gewohnt. Wenn man diese Tatsache kennt und sich darauf einstellt, kann man tendenziell etwas dunkler belichten, da die Details in den Shadows eher zu retten sind, als in den Highlights.



Ansonsten funktioniert die Kamera prima und liefert mit Apple ProRes RAW ein sehr angenehmes Bild. Dabei ist vor allem die Tatsache des Vollformat-Sensors hervorzuheben, die das Bild durch die geringe Tiefenschärfe schnell cineastisch aussehen lässt.




Andreas // Meine Drehs waren lichttechnisch nicht wirklich herausfordernde Situationen, doch wollte ich möglichst fairen Bedingungen für meine Vergleiche.


Die Nikon Z 6II im Lesertest - 3x ProRes RAW in der Praxis : andreas z6II lampe

Obwohl die Lichtquellen einiges an Output liefern, sind Makrosituationen natürlich besonders lichthungrig. Insbesondere galt es, so weit wie möglich abzublenden, ohne die ISO zu weit pushen zu müssen. Ich versuchte also, einen fairen Kompromiss zu finden, der weder ProRes 422 noch ProRes RAW benachteiligt.


Das Ergebnis war, dass ich die ProRes 422 Aufnahmen einen Stop offenblendiger filmte, als ProRes RAW (was man letztlich aber ProRes 422 als Vorteil auslegen könnte – allerdings hat man so einen Vergleich zwischen identen ISO Stufen).



Beim Außendreh nahmen die dichten Baumkronen einiges an Licht. Dazu kommt, dass ich Vollformatkameras gerne generell etwas abblende. Deshalb stellte sich auch hier die Frage nach einem fairen Kompromiss. In diesem Fall habe ich mich entschieden, allen Codecs gleich viel Licht zu schenken und demnach das LOG Material über die ISO um einen Stop zu pushen. Ansonsten hätte ProRes 422 in jedem Test einen deutlichen Lichtvorteil gegenüber ProRes RAW.


Die Nikon Z 6II im Lesertest - 3x ProRes RAW in der Praxis : andreas z6II outdoor



Eines sollte an dieser Stelle jedoch erwähnt werden: Der Waveform Monitor des Ninja V zeigt uns für ProRes 422 andere Weiß- und Schwarzpunkte als bei ProRes RAW. Im Fall von ProRes RAW hatten wir es deutlich früher mit Clipping zu tun (~70 IRE). Demnach erhält man am Waveform Monitor bei ProRes 422 und ProRes RAW komplett unterschiedliche Werte. Das betrifft nicht nur die Gamma Kurven, sondern auch die Skala, auf der die Belichtung abgebildet wird.


Waveforms sind trotzdem ein zuverlässiger Weg, um zu einer vernünftigen Belichtung zu kommen, allerdings sollte man diesen Unterschied im Workflow und insbesondere die Punkte, an denen Clipping auftritt, im Auge behalten.



Die Kamera selbst war zuverlässig und hat genau das gemacht, was ich von ihr wollte. Den Autofokus habe ich nicht genug getestet, um ein Fazit abzugeben. Meine Testaufnahmen habe ich fast ausschließlich manuell fokussiert. Lediglich in einer Aufnahme (von einem Slider) habe ich ein Objekt getrackt, was gut funktioniert hat.


Ich hatte an der Funktion der Kamera und dem Ninja nichts auszusetzen. Beide haben tadellos funktioniert. Über einen größeren HDMI Anschluss würde man sich natürlich freuen, allerdings gab es hier keine Probleme.



Im Folgenden von Herausforderungen zu sprechen wäre zu viel, allerdings möchte ich die Punkte noch anmerken:



- Mit der Z 6II kam auch eine neue Akkugeneration, die „EN-EL15c“. Die Z 6 der ersten Generation läuft mit EN-EL15b Akkus. Diese funktionieren aber auch in der Z 6II. Ich hatte Zugang zu Nachbauakkus von Patona, die ebenfalls die Nummer EN-EL15b tragen. Diese sind mit der Z 6II aber nicht kompatibel.



- Die Stativplatte vom Smallrig Cage ist solide, allerdings ist die Schraube, die die Kamera hält, relativ tief versenkt. Hier sollte man schon ein kleines Tool mit einem Schlitzschraubendreher dabeihaben. Mit einer Münze lässt sich die Schraube nicht festziehen.






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